Initiativen auf Einführung einer obligatorischen Kranken- und
Unfallversicherung für Arbeiter nach deutschem Vorbild scheiterten in den 1890er
Jahren. Nach liberalen Grundsätzen sollte das Unfallrisiko vom Unternehmer
selbst getragen werden und im Bereich der Krankenkassen setzte sich 1891
lediglich eine Subventionierung der teilweise bis in vorindustrielle Zeit
zurückreichenden privaten Hilfskassen auf Gegenseitigkeit im Sinne des Genter
Systems durch. Anders als die deutschen Krankenkassen gewährten die schwedischen
in der Regel nur zeitlich beschränkte Geldleistungen im Krankheitsfalle und
finanzierten zunächst keine medizinische Hilfe.
Dies änderte sich seit dem 1. Weltkrieg nur sehr allmählich. Staatliche
Subventionen wurden sowohl 1891 als auch 1910 unter dem Eindruck von
Arbeiterunruhen beschlossen und galten als Beitrag zum sozialen Frieden und auch
zur Entlastung der Armenfürsorge. Noch 1930 waren erst 20% der erwachsenen
Bevölkerung durch Krankenkassen versichert. Das Thema interessierte die
Arbeiterbewegung wenig und wurde vor allem von Administratoren und liberalen
sowie sozialdemokratischen Politikern vorangetrieben.
Politisch brisant wurde die Krankenversicherungspolitik erstmals 1930. Noch
überwogen die Bedenken gegen eine Pflichtversicherung, doch das vorgeschlagene
Gesetz legte einheitliche Organisations- und Leistungsprinzipien für die
Krankenkassen fest, machte insbesondere die Erbringung medizinischer Leistungen
obligatorisch und erhöhte massiv die staatlichen Subventionen. Da den
opponierenden Ärzten der Zugang zu den entscheidenden Politikzirkeln nicht
gelang, wurde das Gesetz fast einmütig im Reichstag angenommen. In der Folge
stieg der Versicherungsgrad bis 1945 von 20 auf 48%. Im Zuge der
sozialdemokratischen Sozialpolitik der Nachkriegsjahre scheiterte der Versuch,
das Gesundheitswesen insgesamt im Sinne eines Nationalen Gesundheitsdienstes zu
verstaatlichen. Stattdessen wurde 1955 eine allgemeine
Krankenversicherungspflicht eingeführt.
An dieser Stelle interessieren nur die Lohnersatzleistungen, die im Zuge der
wohlfahrtspolitischen Großzügigkeit der Nachkriegsjahrzehnte wie die Leistungen
der Arbeitslosenversicherung allmählich auf die ab 1974 gültige Höhe gebracht
wurden. Das Krankengeld belief sich auf 90% des Einkommens bis zu einer
Höchstgrenze, wurde dynamisiert und grundsätzlich unbegrenzt gezahlt. Nach 90
Tagen wurde geprüft, ob die Leistung in eine Invaliditätsrente umzuwandeln ist.
Handelte es sich um eine berufsbedingte Invalidität, so blieb der volle Lohn-
bzw. Gehaltsanspruch in Verbindung mit weiteren Vergünstigungen erhalten. Der
Arbeitsunfähige sollte sich, ohne wesentliche finanzielle Einbußen und ohne
demütigende Prozeduren vom Erwerbsdruck befreien können.
Der langjährige Erfolg des Schwedischen Modells beruhte nicht zuletzt auf dem
Umstand, dass es gelang, ein hohes Beschäftigungsniveau aufrechtzuerhalten und
damit die Kosten für die Arbeitslosigkeit gering zu halten. Dies war und ist mit
nicht unerheblichen sozialen Kontrollen hinsichtlich der Arbeitsbereitschaft
verbunden. Aber mit der Verbesserung der Leistungen im Falle von Krankheit und
Invalidität öffnete sich ein anderer Weg, sich von einer drückend gewordenen
Erwerbstätigkeit zu befreien. Der Krankenstand und die
Invalidisierungshäufigkeit nahmen nach 1974 drastisch zu.
Die sehr erfolgreichen Kürzungsbemühungen hinsichtlich der
Gesundheitsaufwendungen nach 1990 haben vor allem die
Invalidisierungsbedingungen verschärft und die Lohnersatzleistungen im
Krankheits- und Invaliditätsfalle wie auch im Falle der Arbeitslosigkeit auf 80%
des Lohnes bis zu einer jährlich festgelegten Obergrenze von ca. 3000 Euro
reduziert. Zudem wurden Karenztage eingeführt und die Unternehmen zu einer
14-tägigen Lohnfortzahlung verpflichtet, um deren Interesse an der Kontrolle des
Krankenstandes zu erhöhen.
Zahnarztkosten werden in Schweden nur teilweise von der Krankenversicherung abgedeckt,
dafür erstattet die Krankenversicherung das Potenzmittel Viagra, wie andere
verschreibungspflichtige Arzneimittel auch. Nach dem Regierungswechsel 2006 will
das Regierungsbündnis die Kosten, die von Verkehrsunfällen stammen, auf die
Kfz-Haftpflichtversicherungen abwälzen.
Meilensteine in der
Sozialversicherung
· 1901 Gesetz zur Beihilfe bei Berufsunfällen
· 1914 Gesetz zur Altersrente
· 1948 Kindergeld
· 1955 Allgemeine Krankenversicherung mit einkommensbezogenem Krankengeld
· 1955 Berufsschadenversicherung
· 1960 ATP, Allgemeine Zusatzrente
· 1974 Elternversicherung
· 1977 Arbeitsschadenversicherung
· 1992 Rehabilitationsgeld
· 1999 Neues Rentensystem |
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