Die Seele eines Volkes lebt in seiner
Dichtung, die nicht gleichzusetzen ist mit der nationalen Literaturproduktion.
Bücher werden in Schweden viele geschrieben, gedruckt und auch gekauft. Es gibt
eine Generation von jungen und älteren Schriftstellern, die sich für
verpflichtet halten, jedes Jahr zum Herbst mit einem neuen Roman aufzuwarten.
Ermuntert werden sie dabei von den Verlegern und einer im Großen und Ganzen
wohlwollenden Kritik. Das Niveau ist im Allgemeinen nicht schlecht, es ist
zuweilen schwierig, die Spreu vom Weizen zu sondern. Der göttliche Funke der Inspiration konnte
doch auch in Schweden nicht in das Netz der elektrischen Fernleitungen
eingefangen werden und widerstand allen Normungsversuchen. Auch in Schweden
waren und sind es Einzelgänger, die nicht in das Bild der fortschreitenden
sozialen Demokratie einzufügen sind, es sind vor allem Romantiker und
Individualisten, aus deren Werken die frische Quelle wahrer Poesie gespeist
wurde. In jeder Generation zwei oder drei, die meisten von ihnen haben
Schiffbruch erlitten oder tragisch geendet, seit den dreißiger Jahren und der
allgemeinen Hebung des Kulturniveaus wird man auf sie aufmerksam, auch bevor sie
gestorben sind, aber das schließt Katastrophen nicht aus, wie das tragische
Schicksal von Stig Dagermann bewies, der 1954 im Alter von 31 Jahren aus dem
Leben schied. Sein früher Tod wirkte ebenso erschütternd und im Grunde genommen
sinnlos wie der tragische Unglücksfall, dem Dan Anderson nach dem ersten
Weltkriege zum Opfer fiel. Damit sind bereits zwei Namen genannt, für mein
eigenes Empfinden gehören außer Fröding und Strindberg vor allem noch Nils
Ferlin, Erik Lindegren und Gunnar Ekelöf in diese Reihe begnadeter Lyriker und
Gestalter. Ihre pessimistische Grundhaltung steht im
Widerspruch zu der allgemeinen optimistischen und auf den praktischen Wert
ausgerichteten Einstellung der öffentlichen Meinung, besonders in den wenigen
Schriften Dagermanns und Lindegrens spiegelt sich die Weltangst der westlichen
Kulturnationen während und nach dem zweiten Weltkrieg wider. Sie gehören oder
gehörten einer geistigen und künstlerischen Strömung an, die durch die Namen
Kafka, Elliot, Sartre gekennzeichnet wird. „Der Mann ohne Weg", schon im Titel
dieser Sammlung Gedichte, die Erik Lindegren am Ende des Krieges zunächst als
Privatdruck herausgeben musste, weil sich kein Verleger fand, und die dann nach
Erscheinen Ausgangspunkt einer interessanten Diskussion über Form und Inhalt der
Dichtung überhaupt wurde, ist die Skepsis und das verzweifelte Suchen einer
jungen Generation enthalten, die vor den Ruinen aller Traditionen und Werte
stand. Dem Gesamtbild der schwedischen Entwicklung
geben diese und andere Schatten die Tiefe und jene Harmonie, die auch das
Negative umschließt und auch aus ihm neue Kraft schöpft.
Weitere schwedische Dichter:
Carl Michael Bellman
Johan August Strindberg
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