Der Begriff "Demokratie" - wörtlich: "Volksherrschaft" - ist mehr als 2000
Jahre alt. Volksherrschaft bezog sich jedoch früher nur auf die Herrschaft
derer, die die politischen Bürgerrechte innehatten. Dies waren lediglich
bestimmte Gruppen der Bevölkerung, etwa die Inhaber von Grundbesitz, der Adel
oder das Großbürgertum. Ausgehend unter anderem von der Verfassung der USA
(1787), der Französischen Revolution (1789) und den Ideen des deutschen
Liberalismus im 19. Jahrhundert, verstehen wir heute unter dem "Volk", das
Herrschaft ausübt, alle Staatsbürger, sofern sie das Wahlalter erreicht haben.
Die Demokratie hat also etwas mit der Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts
und mit Gleichheit zu tun. Alle wahlberechtigten Bürger, die durch Teilnahme an
den Wahlen "Herrschaft" ausüben, haben die gleichen Rechte.
In der schwedischen Verfassung steht: "Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus".
Mit Volk ist die Gesamtheit aller Bürger gemeint. Schweden ist eine
parlamentarisch-demokratische Monarchie, in der alle die Möglichkeit haben, die
Führung des Landes zu beeinflussen. Es ist offensichtlich, dass eine
unmittelbare Demokratie, in der alle oder wenigstens alle wesentlichen
Entscheidungen durch Abstimmung in einer Volksversammlung zu treffen wären, in
einem modernen Staat praktisch nicht durchführbar ist. Die Demokratie in
Schweden hat eine repräsentative Staatsform, d.h. die Bürger wählen ihre
Vertreter, die sie im Reichstag, den Kommunen und Provinziallandtagen vertreten
sollen. Dies schließt allerdings nicht aus, dass es daneben für wichtige
Entscheidungen auch Formen unmittelbarer Demokratie (Volksabstimmung,
Volksbegehren, Volksbefragung) gibt.
Die schwedische Volksherrschaft gründet sich auf der freien Meinungsbildung
sowie das allgemeine und gleiche Stimmrecht. Zentrales Element der schwedischen
Demokratie ist der Reichstag. Die politische Weichenstellung
erfolgt durch die Wahl zum Reichstag, der Wahl der Vertreter für die
Provinziallandtage und Gemeinderäte. Alle schwedischen Staatsbürger, die ihren
Wohnsitz in Schweden haben und das 18. Lebensjahr am Wahltag vollendet haben,
dürfen an den Reichstagswahlen teilnehmen. Alle Stimmberechtigten haben bei der
Wahl eine Stimme.
In der Demokratie führt das Mehrheitsprinzip zu verbindlichen Entscheidungen,
die befolgt werden müssen. Die Minderheit hat dafür die Chance, bei künftigen
Wahlen ihrerseits die Mehrheit zu erlangen und kann erwarten, dass dann ihre
Entscheidungen respektiert werden. Das Mehrheitsprinzip ist eine
Kompromisslösung, denn die Entscheidung muss nicht richtig sein. Das
Mehrheitsprinzip gewährleistet aber, dass Konflikte friedlich ausgetragen
werden. Die Staatsgewalt wird durch die Organe der drei
Gewalten Legislative, Exekutive und Judikative ausgeübt.
Demokratie... Sie ist die anspruchsvollste und eben damit gefährlichste
aller politischen Ordnungsformen, nämlich jene, die beständig aus dem freien
Kräftespiel gleichberechtigter Personen wächst.
Romano Guardini
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