Genitalverstümmelung bei Mädchen
In Schweden wurde bereits 1982
die Genitalverstümmelung bei Frauen mit dem "Gesetz über das Verbot der
weiblichen Beschneidungen von Frauen" ausdrücklich verboten und unter Strafe
gestellt. Die Beschneidung von Jungen war aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht
geregelt. 1998/1999 wurden die Strafen mit dem "Gesetz über das Verbot der
weiblichen Genitalverstümmelung" weiter verschärft. Eltern, die jungen Mädchen
die Klitoris beschneiden, drohen bis zu zehn Jahren Haftstrafe. Schwedische
Frauen, die diese Tat im Ausland durchführen, machen sich ebenfalls strafbar.
Das verschärfte Gesetz wurde 2006 in Schweden zum ersten Mal angewandt, als ein
Göteborger Gericht einen aus Somalia stammenden Mann zu vier Jahren Gefängnis
verurteilte, der seine Tochter im Ausland hatte beschneiden lassen. Die
schwedische Kinderrechtsorganisationen "Rädda Barnen" (Rettet die Kinder)
begrüßte das Gerichtsurteil.
Bei der Genitalverstümmelung
werden Teile der Klitoris und oft auch die Schamlippen entfernt. Danach wird die
Wunde so eng zusammengenäht, dass nur noch eine kleine Öffnung bleibt, aus der
Urin und das Menstruationsblut fließen kann.
Genaue Zahlen, wie viele Frauen
in Schweden mit Genitalverstümmelungen leben müssen, gibt es nicht. Schätzungen
des Zentralamtes für Gesundheits- und Sozialwesen gehen von etwa 40.000 in
Schweden lebenden Frauen mit Genitalverstümmelungen aus. Viele von ihnen haben
Beschwerden und leiden im Stillen, weil sie sich daran gewöhnt haben. Ob die Mädchen in Schweden
beschnitten worden sind oder in den Herkunftsländern ihrer Familien, konnte
nicht geklärt werden. Seit 2015 bietet das Karolinska Krankenhaus in Stockholms
län als erste Klinik in Schweden Operationen an, bei denen die Klitoris von
genitalverstümmelten Frauen rekonstruiert wird.
Beschneidungen bei Jungen
Nach einer langen
gesellschaftlichen und politischen Debatte über Todesfälle bei Säuglingen, die
nicht fachgerecht beschnitten worden waren, ist die Beschneidung von Jungen im
Jahr 2001 in Schweden gesetzlich geregelt und eingeschränkt worden "Lag
(2001:499) om omskärelse av pojkar" (Gesetz betreffend die Beschneidung von
Jungen). Das Gesetz trat am 1. Juni 2013 in Kraft. Seitdem dürfen Jungen ohne
medizinische Notwendigkeit nur noch beschnitten werden, wenn sie jünger als zwei
Monate sind. Danach sind solche Zirkumzisionen nur noch mit Zustimmung der
Sorgeberechtigten zulässig. Sie darf nicht gegen den Willen des Kinder erfolgen,
sofern dieses die notwendige Reife für solch eine Erklärung hat. Die
Vereinigung der Kinderärzte forderte 2012, die Beschneidung aus religiösen
Gründen ganz zu verbieten.

Mädchen-Beschneidungen in Afrika
Die Ursprünge der Beschneidung weiblicher Genitalien finden sich in der Epoche
des alten Ägypten. Die älteste bekannte Dokumentation einer Beschneidung ist ein
ägyptisches Relief aus dem Jahr 2420 v. Chr. Sicherlich ist dieser Brauch als
Initiationsritus bei manchen Naturvölkern noch sehr viel älter.
Bei der nahezu allen Ländern West-, Zentral- und Ostafrikas verbreiteten
Mädchen-Beschneidung werden entweder die Vorhaut der Klitoris oder Vorhaut und
Spitze der Klitoris oder die ganze Klitoris oder zusätzlich die kleinen
Schamlippen, seltener auch der obere Teil der großen Schamlippen entfernt. Die
Operation kann nach der Geburt, einige Monate oder Jahre später oder bei
Eintritt in die Pubertät erfolgen und wird von älteren Frauen unter Ausschluss
der männlichen Öffentlichkeit, falls staatlicherseits untersagt, auch heimlich
ausgeführt.
In Nordostafrika und dem Sudan, aber auch in Teilen Eritreas, Somalias, des
Tschad, Nordnigerias und Malis ist damit ein zeitweiliges Verschließen der
Scheide verbunden, gewöhnlich erstmals bei Mädchen im Alter von zwei bis acht
Jahren. Dabei werden zunächst die Klitoris und die kleinen Schamlippen entfernt,
dann die großen Schamlippen bis auf Hautrandteile beiderseits der Vagina
abgetragen und mit Rindersehne, Pferdehaar, Zwirn oder Bast vernäht oder zum
Verwachsen zusammengelegt. Belassen wird eine etwa fingerstarke Öffnung zum
Ausscheiden von Urin und Menstruationsblut.
Kurz vor der Hochzeit nimmt eine erfahrene Frau oder der Bräutigam selbst die
Defibulation durch einen Einschnitt längs der Narbe vor. Vor der ersten
Niederkunft wird die Öffnung durch einen abermaligen Schnitt erweitert, weil das
vernarbte Gewebe nicht genügend elastisch ist. Danach wird die Öffnung wieder so
weit verschlossen, dass der Geschlechtsverkehr gerade noch möglich bleibt. Zweck
der Beschneidungen soll sein, zunächst die Jungfräulichkeit und später die
eheliche Treue der Frauen zu sichern. Dies erinnert an das Anlegen eines
Keuschheitsgürtels, wie es im Mittelalter üblich war.
Die Beschneidungen finden meistens unter unhygienischen Bedingungen außerhalb
von Krankenhäusern statt. Als Werkzeuge werden Spezial-Messer, Rasierklingen,
Scheren oder Glasscherben verwendet. Oft werden mehrere Mädchen mit demselben
Werkzeug beschnitten, was das Infektionsrisiko und das Risiko für die
Übertragung von Krankheiten stark erhöht. Wundkompressen aus Zuckerrohr sollen
die bei der Amputation der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane meist
auftretende starke Blutung stoppen.
Die Entfernung der Klitoris führt bei den Frauen zu einer erheblichen
Beeinträchtigung der Fähigkeit, sexuelle Lust zu erfahren. Die Beschneidungen
führen häufig zu schwerwiegenden Komplikationen wie akuten Infektionen der
Harnwege und Geschlechtsorgane, Blutungen, Zysten und Abszessen an der Vulva,
Problemen beim Urinieren, Stauung von Menstruationsblut in der Bauchhöhle,
Unfruchtbarkeit und manchmal sogar zum Tod.
Die weiblichen Beschneidungen werden zunehmend als Menschenrechtsverletzung
eingestuft und sind heute in Afrika heftig umstritten. Während sie einerseits
noch immer als wichtiger Bestandteil der traditionellen Kultur gilt, schließen
sich in den meisten Ländern verstärkt Frauen zusammen, um Öffentlichkeit und
Betroffene im Kampf gegen die Beschneidungen aufzuklären und zu sensibilisieren.
Knabenbeschneidung in Afrika
Die häufigste Form der traditionellen Knaben-Beschneidung ist die Zirkumzision
(Entfernung der Penisvorhaut, die sich mit der Islamisierung auch unter
Bevölkerungsgruppen verbreitet hat, die ehemals keine Knaben-Beschneidung
kannten. Seltener ist die Inzision (z. B. bei den ostafrikanischen Maasai), bei
der die Vorhaut lediglich vom Eichelrand (Collum glandis) bis zur Penisspitze
dorsal eingeschnitten wird. Die zunächst beidseitig herabhängenden Lappen
wachsen unterhalb der Eichel (Glans) zu einem Wulst zusammen, der sich mit der
Zeit merklich zurückbildet.
|